Die Wanderung startet am Elternhaus Martin Luthers, zentral gelegen, in der Ortschaft Mansfeld.
Durch die Ortschaft Mansfeld führt der Weg über den Hagenbach.
Von der Bahnhofstraße links abbiegend führt ein Hohlweg, welcher sich über die Jahrhunderte tief in den Mansfelder Boden gegraben hat.
Oberhalb des Hohlweges stehen links noch wenige Häuser und die Straße geht in einen Feldweg über, der zwischen den Feldern nach Vatterode führt. Pflaumenbäume und Brombeeren säumen unseren Weg, ein Hügel linkerhand erregt unsere Aufmerksamkeit. Neugierig und übervoll bepackt mit Pflaumen und Mirabellen wollen wir den Hügel erkunden. Sind vielleicht auch schon Luthers Eltern zu diesen Hügel gewandert? Werden wir von dieser Anhöhe die gleiche Landschaft erblicken wie sie?
Vom Wegesrand aus erschließt sich ein erster Ausblick übers Feld auf die im Tal gelegene Ortschaft Mansfeld sowie auf das gegenüberliegende Schloss. Die Kirchturmspitze im Tal dürfte sich wenn überhaupt zu Luthers Schulzeit in Mansfeld (1488–97) noch im Bau befunden haben. Der Bau der Festungsmauern des Schlosses wurde wohl erst begonnen nachdem Luther schon längst in Wittenberg lehrte (Promotion 1512). Den freien Blick dürfte es jedoch bereits gegeben haben, lange Zeit war auch der Schlossberg kaum bewaldet, man brauchte viel Holz nicht allein zur Verhüttung.
Nach dem Verlassen des Weges zwischen Mansfeld und Vatterrode führen mehrere steile Trampelpfade durch eine Heidelandschaft auf die Spitze der Rabenkuppe.
Von der Anhöhe erblicken wir nun auch die Vatteröder Kirche, zu welcher auch die Mansfelder Kirchgänger haben laufen müssen, während ihre eigene Kirche neuerbaut wurde.
Auf der Spitze des Hügels angelangt machen wir eine Pause, inmitten von blühenden Heidekräutern schauen wir auf die Felder. Hier oben steht eine Bank und neben ihr ein Stein. Während der Rast ritzte einer von uns den Namen LUTHER in den großen Klotz hinein an dem wir nun saßen. Bloß hatte der Klotz etwas mit Luther zu tun? Die Frage, ob das ein Gedenkstein für Luther sein könne, führte zu den wildesten Mutmaßungen. Das hier einst Luthers Eltern Händchen hielten, war vielleicht der romantischen Abendstimmung geschuldet, aber wir hatten eine Frage und der wollten wir auf den Grund gehen.
Woher die Rabenkuppe ihren Namen hatte, wussten wir bereits. Der Hügel war einst eine Richtstätte. Vermeintliche Missetäter wurden hier, auf lichter Höhe, der harten Strafe des Räderns unterzogen. Raben machten sich wohl anschließend über die so Hingerichteten her. So entstand der Name Rabenkuppe.
Der Abstieg durch die Heidelandschaft gab uns Anlass für weitere Spekulationen, zwischen den Birken finden sich auffällige Gruben. Sollte Luthers Vater hier nach Kupfer gegraben haben? Schließlich hat er die „Hütte vorm Raben“ betrieben. Aber sollen die Einstiege nach 500 Jahren noch so deutlich zu erkennen sein? Vielleicht sind es auch Geschützstellungen aus dem zweiten Weltkrieg?
Vom Ortseingang Vatterode blicken wir uns zur Rabenkuppe um und hoffen von den Anwohnern auf einige unserer Fragen Antwort zu erhalten.
Wir Treffen einen Mann, der sich an seinem Haus zu schaffen macht und wir fragen sogleich nach den Löchern oben auf der Rabenkuppe. „Flak? – wenn da oben Löcher sind, dann sind die noch von unseren Buden. Die haben wir uns gebaut. Wir haben es damals als Jugendliche schwer gehabt.“ Sagt er verschmitzt. „Es gab damals drei Gruppen Halbköpfe, aus Mansfeld, aus Gräfenstuhl und wir von Vatterode – einige Auseinandersetzungen. Da haben wir schon mal kurz die Hucke vollgekriegt.“ Wir sprechen ihn auf seinen Hausbau an und es sprudelt weiter: „Ich baue seit zwanzig Jahren ohne Kredit. Mein Opa war Neubauer im Zuge der Bodenreform und von dem ist das Haus. Dafür dass ich wohnen darf muss ich nicht mal Kurtaxe zahlen.“ Wir erzählen ihm von unserer Tour und auch er stellt sich vor: „Werner Bräutigam. Bräutigam – ja ich bin's ewig.“ Wir fragen Herrn Bräutigam auch nach dem vermeintlichen Gedenkstein auf der Rabenkuppe. „Den Stein hat Herr Wunderlich, mein Nachbar, da oben hingestellt, er war doch Gewölbehauer. Das war eine Bier-Wette zwischen Werni Thormann und Herrn Wunderlich den Stein da hochzubringen. Das war in den1980er Jahren. Werni ist der Wirt vom Goldenen Hammer. In das Haus von Herrn Wunderlich sind jetzt junge Leute eingezogen. Vielleicht wissen die mehr.“ Zum Schluss fragen wir noch nach der Schlackenhalde in Leimbach. Dort wo wir auch die Hütte vorm Raben vermuten. „Da war die Hütte vor Leimbach, dort wo die bald 500 m lange Halde ist. Gemeint ist die einstige Eckardt-Hütte diese hatte freilich nichts mit Luthers zu tun, sie hatte ihre Hochzeit erst um neunzehnhundert. Und wir fragen: ob denn die dort verbliebene Halde nicht strahlt? „Ja die strahlt wohl ein wenig, man weiß es nicht.“
Die Jungen Leute von nebenan gestatten einen Blick in den einstigen Hof von Herrn Wunderlich. In der Tat, Grabplatten, Gewände, Urnen und Mühlensteine, der Hof ist voll mit behauenen Steinen. Werni kennen Sie auch und auch sie schicken uns in den Goldenen Hammer.
Aber zuvor wollen wir die Kirche von Vatterode besichtigen. Unterhalb des Kirchberges befindet sich die 1882 gepflanzte Lutherlinde.
Jürgen Kaschuba hat Zugang zur Kirche die ihren Namen nach Bonifatius trägt und im 11. Jahrhundert erbaut worden ist. Er führt uns durch den Kirchraum und erzählt uns von der Wiederherrichtung der Kirche in den vergangenen Jahren. So gibt es auch den Förderverein Bonifatiuskirche e.V., der sich sowohl um die baulichen Dinge als auch um die Nutzung der Kirche bemüht.
Jürgen Kaschuba hat sein Haus direkt gegenüber von der Kirche und lädt uns zu sich ein. Seine Frau, die uns ebenfalls begrüßt, hat hier ein Atelier und möchte im ausgebauten Dachstuhl Kunst ausstellen. Er erzählt uns, dass er eigentlich aus Thüringen kommt. „Ich war mal auf einem Schachturnier auf dem Mansfelder Schloss und es war Sonnenschein in einem milden Dezember. Bei einem Ausflug ins Umland stand ich hier und war begeistert. Der alte Apfelbaum die dicken Sandstein Mauern des Hauses und die Kirche zu der das künftige Künstlerhaus gehört.“
Wir erzählen dem Paar von unseren Exkursionen durchs Mansfeld und schließlich posieren beide für uns hinter einer wilhelminischen Lutherbibel.
Vom Kirchberg laufen wir hinunter zur Dorfmitte.
Vorm Goldenen Hammer parken zahlreiche Autos und ein Blick in den Gastraum bestätigt erste Vermutungen – der Goldene Hammer ist gut besucht und kein Platz mehr zu haben. Wir setzen uns in einen offenen Schuppen am Ende des Hofes, nicht ohne vorher nach Werni Thormann zu fragen. Er wird kommen, aber wird er auch das Rätsel um den Stein auf der Rabenkuppe lösen?
Der Schuppen ist wohl dekoriert mit Sinnsprüchen wie „Durst ist schlimmer als Heimweh“, hinter zwei Bänken lugt Ernst Thälmann hervor, schnell ist das Bild für ein Foto freigeräumt.
Ebenso stellen wir die Bierbänke wieder ordentlich davor.
Jetzt kommt Werni, er erkundigt sich nach unserem Begehr und hält inne: „Unmöglich – Wer hat denn die Bänke vor den Ernst gestellt?“– fragt er.
Ernst Thälmann, prominenter Kandidat der KPD im Wahlkampf um das Amt des Reichspräsidenten (1932) gegen Adolf Hitler, ist Namengeber für zahlreiche Straßen und Ortsteile im Mansfelder Land, auch ein ehemaliger Schacht trägt seinen Namen, vormals Graf Vitzthum-Schacht. Woher aber das Thälmannbild stammt, fragen wir Werni bestimmt ein anderes Mal.
Nun, wir erkundigen uns nach dem vermeintlichen Luther-Gedenkstein auf der Rabenkuppe. Werni erzählt von der Wette mit Herrn Wunderlich, ob man den Stein da hochkriegt, dass es um ein Fass Bier ging, und woher der Stein käme, von einem Gutshaus, das abgerissen wurde und übrig blieb unter anderem dieser Gesteinsbrocken. „Mit’m LO hammer den hochgetreckt.“ Werni erzählt sehr schnell und im tiefsten Mansfeldisch, LO heißt LKW. Er holt dann alte Fotos von der Wettaktion … „in’n achtsern war das, sechsnachtzigg“. Er erzählt von Düsenjägern, jungen Mädchen und anderen Begebenheiten. Aber was sind das für Gruben da oben zwischen den Bäumen? „De Flak war da ohm“ – also doch keinen Schachtzugänge, keine Budenreste von Kindern – der zweite Weltkrieg. „N’Amerikaner ham die geschossn“. Wernis Storys sind sicherlich abendfüllend. Wir müssen jedoch aufbrechen. Drinnen im Gastraum hängt auch tatsächlich ein Bild von einem Kampfjet älteren Datums nebst Autogramm.
Wir machen uns auf den Heimweg nach Mansfeld und laufen von Vatterode über Leimbach entlang der Straße. Nach dem Ortsende von Vatterode eröffnet sich links der Straße eine langgestreckte flache Halde. Hier war die Eckardt-Hütte Mitte 19. bis Anfang 20. Jahrhundert in Betrieb. Mühsam besteigen wir den Haldenrand, um einen Blick auf das Plateau zu erhalten. Die Schlacke splittert unter den Füssen wie Glas. Oben angelangt erblicken wir das gesamte Areal, es ist wirklich riesig und man ahnt wie groß die einstige Hütte gewesen sein muss und vor allem wie viele Tonnen hier verhüttet worden sind. Die Hütte wurde längst abgerissen. Wir starren über die Fläche, hinten stehen ein paar Birken. Sie werden als Pionierpflanzen bezeichnet, weil sie Ödland für spätere Vegetation vorbereiten. Aber wenn hier alles umgewälzt wurde, das einstige Tal der Wipper, sie fließt hinter der Halde nach Mansfeld, zugeschüttet worden ist und selbst die Eckardt-Hütte nach knapp 100 Jahren längst verschwunden ist … Was soll denn dann eigentlich noch von den Hütten der Familie Luther übrig sein? Mehr Informationen gibt es hier.
Schwer beeindruckt von so vielen persönlichen Geschichten, folgen wir der Bahnhofstraße nach Mansfeld. Auf einem Betriebsgelände vor dem einstigen Bahnhof steht ein Multicar, er wird wohl von Horst gefahren. Bevor wir die Gleise der Wipperliese queren, finden wir noch ein paar Apfelbäume, deren Früchte uns an das Hier und Heute denken lassen.