Hollywood über dem Mansfelder Grund
- Strecke: 35 km
- Dauer: ca. 48h
- Beschaffenheit: Waldweg, Schotterweg, Straße, Wiesenwege, Halde Warning: Undefined variable $overview in /customers/b/e/5/luther-trip.de/httpd.www/wp-content/themes/luther-less/content/tour-data.php on line 34
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Die zweitägige Tour startet am Bahnhof in Eisleben. Das 1866 erbaute Bahnhofsgebäude wurde gerade von einer Genossenschaft übernommen und soll bis 2017 saniert werden. Der Bahnhof ist gut zu erreichen, von Halle kommend passieren stündlich Züge die Strecke nach Kassel.
Unsere erste Station ist die St. Annenkirche. Es handelt sich um die alte Bergmannskirche der Eisleber Neustadt, die sich auf der westlichen Anhöhe der über tausendjährigen Stadt Eisleben erhebt. 1514 wurde auf Geheiß des Grafen Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort der Grundstein gelegt. Am 13. Januar 1516 wurde der Chorraum durch den Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Mainz geweiht. An die St. Annenkirche schließt sich das Gebäude des 1516 gegründeten Augustinerklosters mit seinen 5 schönen altfränkischen Mönchskammer-Giebeln und das Pfarrhaus an. Acht Augustinermönche bezogen das Kloster. Der Chorraum der Renaissancekirche gehört in seiner äußeren Gestalt noch zur Gotik – erkennbar an dem mannigfaltig gestalteten Fenster-Maßwerk – ist das Gewölbe aus Gips und Kupferschlacke bereits eine Renaissancearbeit. Für Europa einmalig ist die Eisleber Steinbilder-Bibel, die 1585 von dem Bildhauer Hans Thon Uttendrup aus Münster in Westfalen geschaffen wurde. Diese besteht aus 29 Sandstein-Relieftafeln in der Chorgestühlsbrüstung.
Ein paar hundert Meter nach dem Bahnhof gelegen befindet sich das ehemalige Kulturhaus des Mansfeld-Kombinats. Hier wirkte das Mansfelder Kulturensemble mit Chor, Tanzgruppen und Theater. Über die Jahre sammelten sich im und um das Gebäude herum immer mehr Arbeiten von sogenannten Künstler-Plenairs an, also Arbeitsauftenhalten verschiedener Künstler aus der damaligen DDR. Hieraus entstand die Mansfeld-Galerie, welche schließlich 1986 eröffnete. Übrig geblieben, und noch heute sichtbar, ist die einsame Statue eines Bergmannes (Bildhauer: Heinz Bebernis) direkt vor dem Gebäude.
Es folgt ein Paukenschlag zum Auftakt des Tages: eine skurril unwirkliche Landschaft öffnet sich vor einem, die Reste des Kupferschiefers zu steilen Haldenbergen aufgetürmt. Die Steine sind alle in fast ähnlicher Größe, bilden perfekte Geröllfelder, schimmern alle im selben grauen Ton. Jedes Blümchen wirkt auf einmal intensiv bunt – auch das nur dort existierende Kupferblümchen (Minuartia verna ssp. hercynica), jeder anders gefärbte Stein fällt auf, ja sogar die schmalen Trittwege des Wildes züngeln sich wie dunkle Bänder durch das helle Grau. Die Reste eines Zauns wirken wie abstrakte Stelen in dieser monotonen Landschaft. Ein Blick über die Halde zu vier goldgelben Herbstbäumen versprüht so viel Farbe im Kontrast zur Mondlandschaft der Halden. Die extrem steilen Hänge werden alsbald zu einem Abenteuerspielplatz – sicherlich mit einiger Gefahr eines größere Hangrutsches. Deshalb stehen auch Warnschilder, von denen man sich nicht abschrecken lassen sollte: Prädikat unbedingend sehenswert!
Einen Moment verharren wir dort und beobachten diesen absurden sozialen Treffpunkt namens Center Wimmelburg, ein Einkaufskomplex. Dort werden Informationen zu guten Ärzten, zum Arbeitsamt und dem Wohlbefinden der Bekannten und Verwandten ausgetauscht. Ein wenig Melancholie kommt auf, wenn man über den Center auf die Halden blickt und weiß, dass diese Ader des industriellen Lebens vor 20 Jahren gekappt worden ist. Was bleibt sind viele alte Menschen mit einer Geschichte von damals.
Feine Nuancen des Graus, nicht nur auf den Halden, sondern auch an den Hausfassaden der Dörfer, hier und da jäh unterbrochen von zitronengelb und neongrün – als scheine es eine Sucht nach Farbe zu geben, wenn man nur einmal kann. Zeitensprünge finden sich an den Häusern wenige, aber die Biografien haben fast alle vor 20 Jahren einen Riss bekommen. Hinter schön gewaschenen Vorhängen gucken große Hunde uns Wanderern nach. Menschen sehen wir wenige.
Der Sportverein SV Eintracht Kreisfeld spielt alle an die Wand. Grass, wie der grüne Rasen an der fast schwarzen Wand der Halde stoppt, die das Spielfeld gnadenlos in einen stark beschatteten und in einen grünsonnigen Teil verwandelt.
Wie abwechslungsreich dann doch das Land ist, merken wir sofort, als wir in das Katharinenholz, einen Mischwald abtauchen und sofort in einer anderen Welt sind.
Nach dem Überqueren der Straße bäumt sich plötzlich, wenn auch in dieser bewegten Landschaft nicht überraschend, ein gigantischer Berg aus schwarzem Gesteine auf — es ist die Schlacke-Halde der ehemaligen August-Bebel-Hütte. Ein Rampe führt hinauf und öffnet den Blick über eine Hochebene aus schwarzen, scharfkantigen Brocken. Die Wanderer sind ergriffen von der Dimension des Gebirges, zum Teil verängstigt von der Ungeheuerlichkeit des hier von Menschenhand geschaffenen.
Das große Schlackophon hat vielleicht die besten Vermarktungschancen: rieseln kleine Brocken der zerbrochenen Schlacke die Schlackehänge hinunter, dann klirren die Steine in wunderbar metall-gläsernen Klängen. Die Sichtachsen sind grandios – einmal über eine Ebene aus einem surrealen Bild von Yves Tanguy mit zwei kleinen Birken als einzige Landmarke und Konzentrationspunkt für die Augen, dann wieder über larvaeske, morbid oder bedrohlich wirkende erstarrte Schlackeströme, dann Kindersärgen gleich die umgekippten Wagonladungen. Wieder wirkt der Herbstwald in der Ferne bunter als irgendwo sonst im Land.
Wir steigen hinab ins Dorf, in den Mansfelder Grund nach Hergisdorf.
Von außen wirkt die Pension Hoffmann eher wie eine Spelunke, innen treffen wir aber auf einen sehr freundlichen, fast kindlich-naiv-offenen Hausherrn, der seine Pension in bester Ordnung hat – auch eine größere Wandergruppe kommt bequem in ideenreich ins Haus gebaute Zimmer unter.
Wer ein Kleinod entdecken will, der ist in St. Ägidien richtig, denn man hat dort drin tatsächlich das Gefühl, eine Kirche zu erforschen, anstatt zu besuchen. Aus dem Jahre 1472 sind heute v.a. das 15. bis 17. Jahrhundert prägend. Alles da: ein seltener Altar, ein originales Gestühl, eine alte Orgel, ein Wehrturm mit Uhr (geht noch) und Glocken sowie eine Krypta mit Särgen, alles unter einer unangetasteten Patina, die sooft durch gut gemeinte Restaurierungen verschwindet.
Von außen ist die Villa Oberhof ein schönes Gebäude der späteren Gründerzeit, innen empfängt uns eher Turnhallenflair mit Bollerofen, die wir sofort lieben lernen, war doch die letzte Etappe schon sehr kühl. Die Speisekarte ist sehr überschaubar und man hatte seine Vorurteile. Aber: das Essen war ausgezeichnet, Bratkartoffeln hier mal als Exempel genommen: welcher Gasthof schafft es schon, diese ohne einen Fetttropfen, gut angebraten, ohne zu verbraten, mit einer gewissen Würze zu servieren? Der Wirt hier hat dies vollbracht. Auch das Panat beim Schnitzel — ausgezeichnet, der Rohkost-Salat frisch gemacht. Zu empfehlen! Aber v.a. der Wirt selbst ist seine Erzählungen von damals wert. Ein Satz aber prägte sich wohl am tiefsten ein: »Ungeziefer hätte es damals nicht gegeben — da musste keiner im Garten spritzen oder Bauholz behandelt werden – war alles ohnehin hier tot …« Aber dann auch der melancholische Blick zurück, als er, der Gießer, dann sein Restaurant aufmachte und die entsprechenden Genossen und Betriebsleiter sich die Klinke in die Hände gaben. Da sind heute die Zeiten erheblich schwerer
Es ist ein wenig, wie in einem Märchen, in dem ein Tunnel in eine andere Welt führt – hier der Tunnel westlich von Ahlsdorf in den Dippelsbachgrund. Hier sind wir landschaftlich aus dem Mansfelder Haldenland ins Harzer Vorland mit seinen Hügeln und Wäldern gelangt, späte Kraniche ziehen in mehreren Trupps über die Bäume, ihr trompetender Ruf schallt wunderbar im stillen Wald. Echte Felswände und nicht rutschige Halden sind jetzt zu sehen, der Wald ist alt, mit großen Bäumen und nicht buschige Birken sind die häufigen Bäume, sondern Fichten und Eichen, auf den Kuppen auch Kiefern.
Oberhalb von Annarode, direkt hinter dem Waldcafé liegt ein Aussichtspunkt der den Blick auf das Tal des Hagenbaches frei gibt. Auf den gegenüberliegenden Hügeln ist die Kirche von Gorenzen erkennbar, irgendwo weiter weg bäumt sich die Landschaft zum Gebirge auf, dem Harz.
Wenn es noch Hexen und Druiden gibt, dann treffen sie sich auf der Rabenkuppe. Ein magischer Ort, ein seichter Hügel aus noch seichterer Hügellandschaft aufsteigend, bewachsen mit einigen Kiefern, Heckenrosen und Heidesträuchern und einer fantastischen Aussicht rüber zum Schloss Mansfeld und in einem ca. 250° Panoramablick in den Vorharz.
Wie schon bei vielen Touren zuvor, kehren wir am Abend bei Werni im Goldenen Hammer ein. Nach den vielen Kilometern, Eindrücken und Gesprächen freuen wir uns über das Wippraer Bier, welches hier frisch aus dem Fass gezapft wird.
Die Wipperliese war schon vorher bekannt – man hörte von ihr auch in Halle (Saale), vielleicht weil sie einen brav zu den ersten Wanderlokalitäten des Vorharzes bringt. Sie ist aber auch ein echter Oldtimer aus einer Zeit des Reisens, in der Komfort an Kleinigkeiten wie nette Vorhänge hing. Die wenigsten Mitreisenden nehmen den Zug aus Nostalgiegründen. Es ist ihre Lebensader von einem Dorf des Tales ins nächste, oder sogar mal in die weit entfernte Stadt.